Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 12 / 6. März 2008
#Derek Jarman
  10/13
film
Derek Jarman

Politisch gesehen bin ich aber total gegen alles, was hier in den letzten acht Jahren passiert ist. Auch mit der versteinerten Haltung weiter Teile der Linken bin ich nicht glücklich. Die legen so einen Puritanismus an den Tag, der Hand in Hand geht mit einem Gefühl der Niederlage.

Wie haben Sie die britische Filmszene in den letzten Jahren erlebt?


Es existiert ein grosser Graben in der englischen Filmkultur. Die wirkliche Filmkultur ist zur Exzentrizität relegiert worden. Wenn Fassbinder das Pech gehabt hätte, in England geboren worden zu sein, würde er wahrscheinlich immer noch Super-8-Filme drehen und keiner hätte von ihm gehört. Die hiesige Filmkultur ist immer von Hollywood dominiert worden. Die Tendenz hat sich jetzt noch verstärkt. David Puttnams Kino ist das Kino von Margaret Thatchers Grossbritannien. Alles auf den amerikanischen Markt abgezielt. Regisseure, welche unsere Werner Herzogs und Rainer Werner Fassbinders hätten werden können, sind an die Peripherie abgedrängt worden. Leute wie Mike Leigh, Ken Loach, Terence Davies und Sally Potter.

Bedeutet Ihnen Pier Paolo Pasolini etwas?

Ja! Mein nächstes Projekt soll ein Film über seine letzte Nacht sein. Ich habe ihn einmal getroffen. Es war 1973 oder so, vor meinem Lagerhaus damals in Bankside. Es gab da so

eine Hintertür, die in eine Gasse führte, wo nie auch nur ein Mensch zu sehen war. Eines Tages stiess ich die Tür auf – und stand mitten in einer Gruppe von Leuten. Verdutzt sagte ich guten Tag und schloss die Tür ab. Da kam mir dieses Gesicht plötzlich sehr bekannt vor. Es war Pasolini. Er war mit seinem Team auf Recce. Am liebsten hätte ich gesagt: «Darf ich Sie alle zu einem Tee einladen?» In Wirklichkeit stotterte ich so etwas wie: «Wenn Sie Hilfe brauchen, ich kenne die Gegend sehr gut.» Aber sein englischer Location-Manager hat sich gleich dazwischen geschoben und machte mir klar, dass mein Eindringen unerwünscht war. Aber Pasolini hat mir sehr freundlich zugelächelt!


Foto: © Trevor Leighton