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das kulturelle überformat
Nr. 3 / 27. März 2007
#Interview Bryan Ferry
  5/5
dossier: Coverversionen
Interview Bryan Ferry

die Meisterwerke längst verstorbener Komponisten wie Mozart, Brahms oder Beethoven aufgeführt. Warum sollte es in der Populärmusik anders sein? Auf mich wirken die Standards aus den dreissiger Jahren genau so zeitgemäss wie die Rocksongs aus den Siebzigern, da mache ich keinen Unterschied zwischen neueren oder älteren Stücken. In der Kunst können ja zwei Gemälde sechzig Jahre auseinander entstanden sein, aber wir rechnen sie trotzdem der gleichen Epoche zu.

Wenn wir es schon von Klassikern haben: in Ihrem breiten Repertoire glänzt Leonard Cohen durch seine Abwesenheit. Warum das?
 
Für mein letztes Album «Frantic» wollte ich eines seiner Lieder covern, aber weil mein Produzent und mein Arrangeur dagegen waren, habe ich es doch sein lassen. Es war ein Fehler, auf sie zu hören, und ich werde den Song irgendwann noch einspielen. Aber fragen Sie mich bitte nicht, wie der hiess, der Titel ist mir gerade entfallen. Ich weiss Cohen also sehr wohl zu schätzen, aber ich würde nie ein ganzes Album mit seinen Stücken machen wollen. Dafür fehlt mir schlicht die Affinität zu seinem Oeuvre, und eine Cohen-Hommage würde wohl zu unheilvoll herauskommen. Bei Dylan ist das anders. In seinen Songs trifft man eine grosse Bandbreite an Stimmungen und Stilen, in seinem Werk steckt viel Humor und auch viel Lebensfreude. Da hat er einiges

mit Picasso gemein, der ja alles von humoristisch angehauchten Keramiken bis hin zu dunklen Gemälden gemacht hat. Oder mit James Brown, der im Verlauf eines einzigen Konzertes alle emotionalen Register von Trauer bis Ekstase ziehen konnte, und dabei stets den wilden Mann markierte.  

James Brown war ein brillanter Showmann, weil er den Mut zur grossen Geste hatte. Fehlt jemand so in der heutigen Musikszene?

Das gibt es höchstens noch beim Hip-Hop, der ja vor Prunk und Glamour überquillt. Mit dieser Musik kann ich nicht immer etwas anfangen – es fehlen mir die Songs – aber den ganzen Rummel drum herum finde ich einiges unterhaltsamer als die vielen gesichtslosen Gitarrenbands, die sich heute auf der Szene herumtreiben. Ein bisschen Show muss schon sein.

Aktuelles Album: «Dylanesque» (Virgin)

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