Ihre lange Karriere war von Pausen und Auszeiten geprägt. Nicht zuletzt darum feiern Fans und Fachpresse jedes neue Album von Patti Smith a priori als Kulturgut. Der für Mitte April 2007 angekündigten Veröffentlichung des neuen Werks «Twelve» blickt man aber eher skeptisch entgegen. Der Grund: die heute 61-jährige Smith hat sich dort den Songs so unterschiedlicher Künstler wie Tears For Fears, Stevie Wonder und Paul Simon gewidmet – und so den Verdacht geweckt, dass der wortgewaltigen New Yorkerin die Ideen ausgegangen sind.
Dabei hat sich Patti Smith längst als Meisterin der Coverversionen erwiesen. Auf ihrem Einstandsalbum «Horses» (1975) baute sie Van Morrisons «Gloria» (im Original eine erotische Phantasie eines pubertierenden Stubenhockers) zu einem spirituellen Schlachtruf um, ohne den ursprünglichen Song zu sprengen. Brillant hatten Smith und ihre Band Morrisons simple Drei-Akkord-Nummer als Sprungbrett für poetische und dynamische Ausbrüche genutzt. Kein Wunder, dass diese Aufnahme als Punk-Klassiker gilt. So ist «Gloria» eine kleine Fallstudie in der schwierigen Kunst der gelungenen Coverversion. Trotz dieser und unzähliger anderer Glanzleistungen wie etwa Joe Cockers «With A Little Help From My Friends» (The Beatles), Talking Heads’ «Take Me To The River» (Al Green) oder Ryan Adams «Wonderwall» (Oasis) hat die Coverversion bis heute einen zweifelhaften Ruf. Mal wird sie als zynisches Marketingmanöver verpönt oder als kreative Bankrotterklärung verstanden. Beides kommt immer wieder vor, aber der Generalverdacht gegenüber der Coverversion ist unzulässig.