an der Grenze fest, dass sie, statt ihrem eigenen, den Pass von Yves eingepackt hat. Das Ganze driftet in eine «Grenzerfahrung» mit einer Art «Identitätsverlust». Anna Sommer will jedoch mit dem Titel ihres Buches vor allem deutlich machen, dass sich auch in diesen ganz auf Fakten basierenden Geschichten Dinge in der Erinnerung wie zu Erfindungen verzerren können. «Beim Zeichnen merkt man, dass Begebenheiten, an die man sich genau zu erinnern glaubt, plötzlich sehr vage werden», erklärt die Zeichnerin. Das Herausschälen dieser Dinge gestalte sich dann sehr schwierig, da man versuche, der Erinnerung ein prägnantes Gesicht zu geben.
Von der Seitenaufteilung her hat Anna Sommer das Globi-Prinzip gewählt: Auf einer Seite sechs quadratische Bildchen mit je bis zu drei Zeilen Text. Über der scheinbar kindlichen zeichnerischen und szenischen Virtuosität kann man – das ist man sich bei Anna Sommer schon lange gewohnt – wiederum ins Schwärmen geraten, wobei man diesmal dank persönlicher Bekanntschaft mit dem einen oder anderen Protagonisten des Buches auch gleich noch angesichts der porträtistischen Fähigkeiten der Zeichnerin vom Stühlchen fällt: die formal knapp, treffend und sicher zu Papier gebrachten Personen erwachen dort zu erstaunlicher Lebendigkeit.
Hans Keller
Anna Sommer, «Die Wahrheit und andere Erfindungen», 64 Seiten, s/w, Edition Moderne, SFr. 24.80
Die Buchvernissage fand im Rahmen des Internationalen Comix-Festivals Fumetto in Luzern (23. März bis 1. April 2007) statt.