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das kulturelle überformat
Nr. 21 / 9. Februar 2009
#Interview mit Robyn Hitchcock
  8/9
musik
Interview mit Robyn Hitchcock

allgemeinen Zustand der Verunsicherung und Selbstmarterung zu beschreiben. Irgendwie liegt darin das Problem unserer nationalen Psyche. Ausserdem war Grossbritannien das erste Land in Europa, das reif war, Rock’n’Roll aufzunehmen. Schon wegen der gemeinsamen Sprache. Wir hatten auch die Häfen, Liverpool, London, Newcastle, in denen all die aufregenden Dinge aus den USA zuerst ankamen.  Jazz, Blues, R&B, Hank Williams, Rock’n’Roll. Die Animals und die Beatles und die Stones entdeckten da ihre Inspiration.

Glauben Sie, diese «Angst» im englischen Sinne sei durchweg mit der Klassengesellschaft verbunden?

Darüber könnte man lang diskutieren. Alles kann von überall her kommen. Vielleicht hängt es ja auch damit zusammen, dass wir auf einer Insel leben und von der Kirche in Rom abgeschnitten wurden. Oder damit, was im Ersten Weltkrieg passiert ist. Damals wurden alle jungen Männer, die man in anderen Zeiten als Troublemaker angeschaut und in den Knast gesteckt hätte, in den Krieg geschickt. Oder vielleicht geht es auf die Zeit zurück, in der die Pest so viele Priester dahin raffte, dass die Kirche Nachwuchs anheuern musste, die weder Latein noch Griechisch noch Französisch sprach – so erst wurde das bis dahin als unterklassig erachtete Englisch salonfähig. All diese Traumas werden ihre Rolle gespielt haben. Vielleicht ist der Grund

für unseren Fatalismus tatsächlich darin zu suchen, dass unsere Klassengesellschaft nun schon fast tausend Jahre ohne Unterbruch überstanden hat. Vielleicht ist es das – der Zorn des Besiegten.

Die ganze Woche lang kuscht man, steckt ein, steht Schlange – am Freitag bricht man aus, betrinkt sich und lässt in einer Schlägerei Dampf ab.

Der Theorie nach wenigstens. Ich halte mich selber für einen sehr fatalistischen, defätistischen Menschen, und ich glaube nicht, dass das etwas mit meinem Familienhintergrund zu tun hat. Ich glaube, es kommt vor allem daher, dass ich eben ein Engländer bin. In Amerika ist man neuen Möglichkeiten gegenüber offener. Es gibt dort andere Probleme, gewiss. Es dürfte schwieriger sein, Wurzeln zu schlagen und sich daheim zu fühlen. Aber in England ist es nicht einfach, an Möglichkeiten zu glauben.

Englische Folk-Musik ist ja auch oft durchdrungen von einer unglaublichen Melancholie. Vielleicht hängt diese auch mit der Landschaft zusammen, mit der kargen, rauhen Ödheit von Nordengland?
 
In dem Fall sollten die Norweger noch viel melancholischer sein! Aber es ist ja schon so – je weiter in den Norden man geht, desto mehr trinken die Menschen. Ist das wegen