Anzeige
das kulturelle überformat
Nr. 21 / 9. Februar 2009
#Interview mit Robyn Hitchcock
  5/9
musik
Interview mit Robyn Hitchcock

überleben wird. Die Funktion meiner Lieder ist es nicht, Hits zu sein oder das Heute zu zelebrieren. Ich verstehe meine Lieder als Botschaften an die Zukunft.

Sozusagen eine Flaschenpost in der Form eines Dreiminutensongs.

Oh ja. Wobei ich nicht unbedingt konkret die Geschehnisse im Jahr 2009 reflektieren will. Ich wüsste auch nicht, wer das momentan tut. Es wird interessant sein, zu sehen, wieviele Lieder über Obama geschrieben werden. Wie viele Leute haben ein Lied geschrieben über die Chinesen, die in der Morecambe Bay vor einiger Zeit beim illegalen Muschelpflücken ertrunken sind? Gibt es viele Songs über den Irak-Krieg?

1966 hätte es sofort Songs zu den Themen gegeben, meinen Sie nicht?

Die Leute hätten es versucht – weil es Mode war. Historisch ist es ja tatsächlich so, dass Lieder und Balladen die Aufgabe hatten, News zu verbreiten und Geschichten zu erzählen. So hört man es wenigstens immer wieder. Aber da hatte man noch kein Fernsehen, kein Radio und keine Zeitungen und erst recht nicht all die elektronischen Medien, die wir jetzt haben. Es ist sinnlos, zum Verbreiten einer Nachricht noch ein Lied zu schreiben. Andererseits ist es nicht sinnlos, ein Lied zu schreiben über die eigene Reaktion auf die News. Alles ist so

kompliziert geworden. Vielleicht sind die Menschen heute auch ein bisschen egozentrischer als früher. Es fällt ihnen schwer, Lieder zu schreiben über Dinge von aussen.

Wird es schwieriger, Themen für ein Lied zu finden, wenn man älter wird?

Die Einfälle, die Texte, kommen einfach daher. Der Herr im oberen Stock reicht mir ein Blatt Papier hinunter, und da stehen Worte drauf, und Jahre später erkenne ich, worum es da überhaupt ging. Meistens stellt es sich heraus, dass es Botschaften von meinem Unterbewusstsein waren, dass ich dies oder das tun oder lassen sollte. Später, wenn ich die Botschaft verstehe, muss ich feststellen, dass ich sie ignorierte, und dass das Unterbewusstsein recht gehabt hatte. Natürlich gibt es auch andere Anstösse. Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien von Liedern – solche, bei denen der Anstoss von innen kommt, und solche, bei denen er von aussen kommt. So oder so fallen die Einfälle mir einfach zu. Oft habe ich keine Erinnerung daran, dass ich einen Text geschrieben habe. Ich bin in der Beziehung wie ein Jäger, der am Abend seine Fallen aufstellt und am Morgen darin seine Beute findet. Es hat schon Phasen gegeben, in denen die Ideen nicht gekommen sind. Früher habe ich mir deswegen Sorgen gemacht. In den letzten zehn Jahren habe ich gelernt, dass es am besten ist, diese Phasen zu ignorieren. Dann kommen die Ideen von allein wieder.