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das kulturelle überformat
Nr. 21 / 9. Februar 2009
#Interview mit Guy Pratt
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musik
Interview mit Guy Pratt

Guy Pratt, in wenigen Stunden werden Sie mit dem Sinfonieorchester Nota Bene das «Concerto For Group And Orchestra» von Jon Lord aufführen. Muss man Noten lesen können, um ein derart kompliziertes Werk spielen?

Ja, das muss man. Und für die Konzerte mit Jon habe ich mir diese Fähigkeit ein bisschen aneignen müssen. Das «Concerto» ist so ziemlich die komplexeste Musik, mit der ich je konfrontiert worden bin. Es ist viel anspruchsvoller als meine üblichen Jobs, die ich zu 80 Prozent im Autopilot erledigen kann. Wenn ich das «Concerto» spiele, fühle ich mich wie ein Goalkeeper: auf acht Minuten, in denen ich herumsitze und nichts zu tun habe, folgen zwei Minuten des absoluten Terrors, in denen ich ja nicht danebengreifen darf. Aber ich geniesse die Herausforderung. Ein besseres Mittel gegen einen schlimmen Kater gibt es nicht.

Sie haben mit Pink Floyd, Madonna und Michael Jackson gearbeitet. Was ist es, das diese Musiker an Ihrem Bassspiel so schätzen?

Meistens sind es die Produzenten, die mich anrufen, und es gibt zwei Gründe, warum sie das tun. Entweder wissen sie, wie ich spiele, und wollen, dass ich mein eigenes Kolorit in die Musik einbringe. Oder sie wissen, dass ich ihre Regieanweisungen verstehen und umsetzen werde. Aber um ehrlich zu sein,

kriege ich gar nicht mehr so viele Sessionjobs. Wegen der Krise in der Musikindustrie sind die Zeiten vorbei, als man mich Business Class nach Los Angeles eingeflogen und mit einem schönen Hotelzimmer und einer grosszügigen Spesenpauschale ausgestattet hat. Für das gleiche Geld, das die Plattenfirmen früher für mein Bassspiel gezahlt haben, finanzieren sie heute ganze Alben.

Sitzen Sie jetzt auf dem Trockenen?

Nicht ganz. Die Kommunikationstechnologie ist inzwischen so ausgereift, dass die Produzenten mir ihre Tracks per E-Mail zusenden, ich den Basspart in meinem Heimstudio dazugebe und die Musik dann wieder zurückschicke. Aber ich hasse es, so arbeiten zu müssen. Mir fehlt die Interaktion mit den Künstlern und Produzenten, und die Musik leidet ja auch. Wenn ich Faulpelz niemanden mehr habe, der mir den Marsch bläst, liefere ich auch nicht immer die beste Arbeit ab. Ich knalle einfach mal meinen Part hin – im Wissen, dass der Produzent die Patzer am Computer ausbügeln wird.

Merkt man das der heutigen Musik an, dass sie mit einem Minimum an menschlichem Kontakt entsteht?


Die meisten Leute, die sich heute Toningenieur schimpfen, wissen nicht mehr, wie man eine Gitarre oder ein Schlagzeug optimal verkabelt, und die Platten klingen immer schlechter.