Früher war das anders. Als Anthony Hopkins 1993 einen Butler in «The Remains of the Day» spielte, wäre es niemandem in den Sinn gekommen, den stoischen Diener mit dem zwei Jahre zuvor in die Kinos gekommenen Hannibal Lecter von «Silence of the Lambs» zu vergleichen.
Selbst bestandene Kritiker sind von diesen seltsamen Wahrnehmungsverschiebungen nicht verschont. Da «Changeling» unter anderen auch von Ron Howard produziert wurde, der zufälligerweise zur selben Zeit mit «Frost/Nixon» in die Kinos kam, wurde die Einsicht geäussert, dass Nixon eher zu Eastwood passen würde und das «Tränendrüsendrama» namens «Changeling» zu Ron Howard. Da schlich sich gleich zweifach ein falscher Gedanke ein. Clint Eastwood befasst sich nicht mit historischen Figuren der amerikanischen Geschichte, ausser sie waren wie Charlie Parker in «Bird» Aussenseiter, die falsch verstanden wurden oder die in der normalen Gesellschaft nicht die Anerkennung fanden, die sie verdienten. Was man von Nixon nicht behaupten kann. Und zweitens ist «Changeling» kein Tränendrüsendrama, obwohl – zugegeben die Mutter oft weint in dieser wahren Geschichte.
Eastwood erzählt darin den historischen Vorfall eines vermissten Jungen und dessen Mutter im Los Angeles der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Das ist die vordergründige Geschichte, die von einer grossartigen Darbietung von Angelina Jolie lebt, die zu Recht mit einer Oscarnominierung bedacht worden ist. Doch der Film hat mehrere Ebenen und die wahre Botschaft liegt wie bei Eastwood üblich im Subtext.