Tournee herüber kamen. In Amerika ist man ein hungriger junger Musiker, fährt einen Tag lang im engen Lieferwagen übers Land, schläft auf der Strasse, ist kaputt, kommt endlich beim Lokal an, ist aber eine Stunde zu früh, und der Lokalbesitzer wird sich vor der Tür aufbauen und sagen: «Was, schon hier? Der Promoter ist noch nicht da, ihr könnt aber auf der Treppe warten. Die Toilette? OK, aber schnell machen. Wasser? Da muss ich den Promoter fragen.» In Europa war es wie Tag und Nacht. Man wurde mit Freuden begrüsst, die Promoter zeigten uns alles, was wir in der Stadt sehen wollten, die Köche waren stolz, Lokalspezialitäten zu servieren. In Amerika wird eine Band erst anständig behandelt, wenn sie Erfolg hat – vorher ist sie bloss ein Ärgernis. In Europa hatten wir sofort das Gefühl, dass man uns hier verstand.
Ihre Musik ist vor allem auch auf der Ebene der Rhythmen ungewöhnlich. Wie kommen diese verrückten Synkopen und Breaks zustande?
Die Rhythmen kommen ganz aus meiner Kultur, der Kultur von Puerto Rico. Damit wuchs ich auf. Nach fünfzehn Jahren fängt man aus lauter Langweile an, sie zu variieren, das ist ganz natürlich. Aber im Kern kommt fast alles aus Merengue, Son, Mambo und all den anderen puertorikanischen Stilen. Salsa-Gruppen haben ja keinen Schlagzeuger. Mehrere Instrumente leisten alle ihren Beitrag zum Rhythmus, so kann der Zuschauer
dessen Aufbau leicht erkennen. Wenn nur ein Schlagzeuger da sitzt und mit Armen und Füssen fuchtelt, sieht alles viel komplexer aus.
Bevor meine Zeit abläuft muss ich doch noch die Frage stellen – stimmt die Story, die auf dem Pressezettel und auf der Website erzählt wird? Die Story mit dem Ouija-Brett und den bösen Geistern?
Klar, ohne Zweifel.
Sie lächeln. Steckt darin auch eine Prise Verspieltheit?
Nein! Nein! Der Text basiert voll und ganz auf unseren Erlebnissen. Wenn ich soeben gelächelt habe, dann deswegen, weil ich nach zwei Wochen Interviews die verschiedenen Reaktionen auf die Story ungefähr einteilen kann. Ich stamme aus der Karibik. Für einen karibischen Interviewer wäre es vielleicht einfacher, die Geschichte zu akzeptieren. Denn in der Karibik sind wir mit dem Metaphysischen aufgewachsen, mit dem Ritual, mit der Zelebrierung der Geister. Wir feiern die Geister, geben ihnen Opfer, damit sie zufrieden sind. Die ganze Santaria-Tradition oder Dias dos Muertos in Mexiko. Wenn ich hingegen in Deutschland interviewt werde, oder eben von Ihnen, dann ist die Haltung öfters eher rational. «Ein Märchen», heisst es da gern. «Eine Metapher.» Mir ist beides recht. Es ist eine Reflektion kultureller Unterschiede und von Diversität.