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das kulturelle überformat
Nr. 9 / 6. November 2007
#David Albahari
  4/4
literatur
David Albahari

Der nach Kanada ausgewanderte Serbe David Albahari, der bereits zuvor mit meisterlichen Romanen wie «Mutterland» oder «Götz und Meyer» glänzte, erreicht hier ein literarisches Level, bei dessen Schreiben er sich wie sein von ihm gezeichneter Held gefühlt haben muss. Es ist förmlich zu spüren wie hier der Roman von seinem Schöpfer Besitz ergreift. In den einzelnen Kapiteln wird der Textfluss durch keinen einzigen Abschnitt unterbrochen. Der Leser gerät so in den Strudel des manischen Denkens hinein. «Die Ohrfeige» wird zum drogenfreien Trip, bei dem einen das metaphysische Gruseln erfassen kann.

Albaharis Welten wurden schon mit jenen des russischen Regisseurs Andrei Tarkovsky verglichen, seine Erzählkunst mit jener Alfred Hitchcocks. Beides ist wahr. Doch seine Gabe, dem Paradoxen unserer Existenz nachzuspüren und der Beklemmnis dieser Augenblicke die richtigen Worte zu schenken, steht ganz in der Tradition von Franz Kafka. Als Leser kommt man irgendwann aus dieser gefühlten Enge wieder heraus, und zwar am Ende des Buches. Einzig, um zu realisieren, das man mit dem eigenen Leben genauso Teil des Ganzen ist. «Die Ohrfeige» ist ein beklemmender, hochintelligenter, wahnwitziger literarischer Meisterstreich. Ein Buch, das man nicht mehr missen möchte.



David Albahari. Die Ohrfeige. Roman. Originaltitel: Pijavice. Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann. Eichborn Verlag. 400 Seiten. Gebunden. € 22,95 / CHF 39,90

«Manchmal bin ich mir selbst nicht sicher, dass ich dies alles schreibe; vielleicht spreche ich es nur; vielleicht meine ich lediglich, dass ich es spreche, und schreibe; vielleicht ist es nicht einmal das, sondern etwas völlig anderes, etwas zwischen Bildern und Klängen, eine Sprache, die niemandem gehört, am allerwenigsten mir.»
aus «Die Ohrfeige»