Man könnte mit Fug und Recht behaupten, New York hat mit dem Ausgang der US-Wahlen nichts zu tun. Die werden anderswo entschieden. Leider. Auf jeden Fall wurde dem Willen der New Yorker Wählerinnen und Wähler bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen nicht Rechnung getragen. New York ist ein Red State, ein demokratischer Staat, und New York City eine Stadt, die im Rest des Landes mit Argwohn beäugt wird. Bis zum 11. September 2001 war die grösste Stadt der USA vor allem für den mittleren Westen nichts weiter als die Weiterführung von Sodom und Gomorrha. Ein Sündenbabel, ein von guten Geistern verlassenes Durcheinander, ein Vorort Europas, ein aus Immigranten entstandenes und weitergeführtes Chaos.
Der 11. September brachte ein ungewohntes Bild mit sich: die Verbrüderung des Landes mit ihrem schwarzen Schaf. Und heute reist Rudy Giuliani, der damalige Bürgermeister der Stadt, als Präsidentschaftskandidat durch den «Bible belt» und rühmt sich unter dem Applaus von «echten» Amerikanern seiner Rolle als Säuberer einer einst verwahrlosten Stadt und als Terroristenschreck. Dass ihn die New Yorker alles andere als mögen, allen voran die von ihm so gerühmten Feuerwehrmänner, kümmert ihn nicht. Wie gesagt: New York hat mit dem Ausgang der Wahlen nichts zu tun. Und Giulianis leere Versprechungen gegenüber den Opfern der Anschläge, seine Doppelmoral als Führungsphilosophie, seine Ausgrenzung von Minderheiten, die erfolgsstatistisch nicht von Belang sind – dies alles ist jedem New Yorker klar. Und ein