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das kulturelle überformat
Nr. 1 / 25. Januar 2007
#Im Treibsand der Unverbindlichkeit
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musik
Im Treibsand der Unverbindlichkeit

Deshalb hat das klassische Format des Albums nicht mehr den Stellenwert wie zu Zeiten der «Langspielplatte». Auf dem Internet gibt es die neuen Songs eines Musikers auch einzeln zu haben. Und wer sich in Zeiten solcher Umwälzungen wertkonservativ doch noch für die gute alte CD und damit für das Album als Ganzes entscheidet, für den haben sich die Plattenbosse was ganz Besonderes einfallen lassen: doppelte bis dreifache Bezahlung. Ob Bruce Springsteen oder 50 Cent spielt keine Rolle. Dem Fan wird das Geld aus der Tasche gezogen. Während im virtuellen Raum die neuen Alben als Stückwerk und in minderer da komprimierter Klangqualität als Alltagsbeschallung verquantet werden, steht zwei Monate nach Veröffentlichung dasselbe Album gleich wieder im Plattenladen. In neuer exklusiver Verpackung. Oder mit neuen Songs versehen. Oder mit multimedialem Anhang. Hauptsache attraktiv, um das Zielpublikum zum Doppelkauf zu bewegen.

Bleibt abzuwarten, wie lange es dauert bis diese bedenkliche Entwicklung im Buchmarkt Einzug hält: Stephen King oder Patrick Süskind – neu aufgelegt und mit zusätzlichen Kapiteln als Bonustracks? Ähnlich dem «Director’s Cut», den die Filmindustrie für den Verkauf ihrer Filme auf DVD zurückhält.

Kunst kontra Kommerz

Die rasante technische Entwicklung beeinträchtigt den kreativen Prozess. Musik als Kunstform kollidiert mit den Anforderungen des Marktes. Musik wird in ihrer Wichtigkeit unterverkauft, um finanziell mehr aus ihr herauszuholen. Zudem kämpft der Klang als solches gegen die Macht des Visuellen. Die sechs Kanäle des Heimtheaters lechzen derart nach Effekten, dass künstlerisch fragwürdige Projekte wie ein auf Dolby Digital 5.1. hochgetuntes Beatles-Album zum Verkaufsrenner werden kann. Der Rapper Nas schreit «Hip-Hop Is Dead», weil das Formale den Inhalt langsam aber sicher zur Strecke bringt.