«Nehmen sie das alles ja nicht zu ernst», hält uns der Fernsehsprecher an: «Denn das hiesse, die Sache zu missverstehen.» Das Zitat ist bezeichnend. Es stammt aus einer Reportage über das Swingende London, produziert anno dazumal von der kommerziellen TV-Station Granada. Der Ton könnte englischer nicht sein. Er suggeriert tolerantes Amüsement ob der munteren aber doch ein bisschen lächerlichen Spielchen der swingenden Jugend. Ihm, dem über solche Mätzchen erhabenen Sprecher, würde der Fehler jedenfalls nicht passieren, in der Materie Tiefgang orten zu wollen.
Fünfzehn Jahre später tönte es schon ganz anders. Margaret Thatcher war es bitterernst, als sie die Sixties als eine böse Kraft darstellte, die England bis auf die Knochen verdorben habe. Jetzt – anfangs der 80er Jahre – ernte man erst die Saat, meinte sie: «Die modischen Theorien und die Phrasendrescherei über Freizügigkeit machten den Weg frei für eine Gesellschaft, in der die alten Tugenden von Disziplin und Zurückhaltung verachtet werden.» Die Sixties hätten auf direktem Weg zu einer allgemeinen Morallosigkeit und Gewalttätigkeit geführt – Zeit, für Thatcher und ihre Fans, das Steuer herumzureissen!
Die Sixties als ein Sodom, Gomorrha und womöglich auch noch Babel, das den Untergang der guten, schönen, wahren Werte von England brachte – dieser Horrorvision steht das paradieshafte Bild entgegen, das idealistisch angehauchte Nostalgiker gern pinseln. In ihren Augen sind die Sixties eine Zeit noch nie dagewesener Toleranz und Offenheit, eine inspirationshafte Phase der neueren Sozialgeschichte, die zeigt, was möglich wäre, wenn die Fantasie statt das Portemonnaie unsere Schritte führen würde.