Bürgermeister of Leipzig's daughter,
suicided, Leipzig, Germany, 1945.
© 2007 Lee Miller Archives.
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Tochter des Bürgermeisters von Leipzig, welche nach dem Selbstmord tot über das Sofa drapiert ist, die Soldatenleiche, die im Wasser schwebt wie eine präraffaelitische Jungfrau. Endlich: die Wohnung von Hitler am Prinzregentenplatz, Nummer 16, München. Ein Bild zeigt ein Pult mit einem Bierhumpen in der Form des Kopfes von König George VI. – ein Geschenk vom britischen Premier Chamberlain anno 1938. Der Humpen spielte die britische Nationalhymne, wenn man ihn aufhob. Fast jeder Mensch mit mittelmässigem Einkommen und ohne Erbstücke hätte in dieser Wohnung wohnen können, schrieb Miller ins Tagebuch. Am gleichen Tag, wie sie durch Dachau gegangen war, zog sich Miller aus, legte sich ins Bad von Adolf Hitler, schrubbte sich den Rücken und liess sich dabei vom Kollegen Daniel E. Scherman fotografieren. Links auf dem Rand des Bades steht noch ein Selbstporträt, das Hitler dorthin gestellt hatte, rechts sehen wir auf einem Tischchen eine «klassische» Akt-Büste im nationalsozialistischen Stil.
Als Ausstellung legt «The Art of Lee Miller» ein ergreifendes Zeugnis eines Lebens ab, das sich um keine Konventionen scherte und darum heute umso inspirierender wirkt. Derweil die Fotografien stilistisch nicht immer besonders originell sind, geht von ihnen doch eine starke emotionelle Ausstrahlung aus, besonders dann, wenn darin auch noch ein klares (oder auch «nur» witziges) erzählerisches Motiv erkennbar ist. Umso tragischer, dass Millers Muse mit dem Bad bei Hitler in die Abgründe der Depressionen gestürzt wurde, vor denen sie so lang und mit so viel Gusto und Lebenslust geflüchtet war.
Hanspeter Künzler