Die Suche nach sich selbst, reibt sich in «Un conte de Noël» vehement am Trotz der Realität auf. Und Desplechin erzählt diese Suche mit der Lust eines Mannes, der eine Schnitzeljagd organisiert. Noch bevor oder überhaupt die Protagonisten sich selbst auf die Spur kommen, hat der Zuschauer genügend Hinweise erhalten, um sich den Weg durchs Labyrinth zu bahnen. In der eigentlichen Geschichte leidet Mutter Junon ebenfalls unter Leukämie und es erstaunt nicht, dass ausgerechnet der verhasste und sozial nicht kompatible Henri sowie der depressive Paul die einzigen sind, deren Knochenmark Junon das Leben verlängern könnte.
Es sind auch diese drei, die als einzige die weihnächtliche Mitternachtsmesse besuchen: die Todgeweihte, der Todessehnsüchtige und der, der im Leben nie ankam. Als sie nach Hause zurückkehren, beginnt es zu schneien. Die Szene wirkt seltsam ironisch angesichts der andauernden Spannungen zuhause, als ob der Film sich selbst kurz eine Sekunde der Harmonie hätte leisten wollen.
«Un conte de Noël» ist wohl die modernste, seltsamste und abartigste «Weihnachtsgeschichte», die man sich vorstellen kann. Ein wildgewordener Schwarm an Psychosen, in Szenen aneinandergereiht, die an eine Jazzimprovisation erinnern. Der Soundtrack, mit dem Desplechin diese «Goldberg-Variationen» über die Zwischenmenschlichkeit unterlegt, reicht vom Barock über Be-Bop und Chanson bis hin zum Hip-Hop. Es ist ein Film, der in seiner Konstruktion stets wankt, aber nie fällt. Ein Kunststück, gewiss. Aber eines, das wohl