Texte von James Joyce, zu den barschen Klängen von Gitarren, Banjos und Laptops vorgetragen? Das innere Auge glaubt schon zu sehen, wie die Literaten sich empört die Haare raufen. Zu ihrer Beruhigung: die Populärmusik greift schon lange auf das weite Œuvre des irischen Schriftstellers zu, auch bleiben Joyces Kernwerke auf dem jüngst erschienenen Tributalbum «Chamber Music» unangetastet.
«Chamber Music» ist bei weitem nicht das erste Mal, dass sich die Rockmusik Joyce an die Brust nimmt. Schon auf ihrem 1968er Album «Baptism» unterlegte Joan Baez dessen Poesie («Of The Dark Past») und Prosa (ein Auszug aus «Portrait Of The Artist As A Young Man») mit Musik. Längst ist der illustre Exilant zur Identifikationsfigur für irischstämmige Musiker avanciert, die sich mit ihrer Herkunft kritisch auseinandersetzen. 1992 brach der Singer-Songwriter Andy White in Dublin auf, um Joyces Grab zu suchen («Looking For James Joyce’s Grave»), während es die New Yorker Folk-Punk-Band Black 47 auf dem Zürcher Friedhof Fluntern, auf dem Joyce begraben ist, im Jahr 2000 gar wild trieb («I Got Laid On James Joyce’s Grave»).
Als Ausgangspunkt für die Songs und Stimmungsbilder auf dem Doppelalbum «Chamber Music» dienen nicht etwa das gewichtige «Ulysses» oder das lautmalerische «Finnegan’s Wake». Sondern die 36 unbetitelten Gedichte aus dem gleichnamigen Lyrikband, den Joyce 1907 mit wenig Erfolg veröffentlichte: wer aber von Interpreten wie Mercury Rev, Ed Harcourt sowie Musikern aus den Reihen von R.E.M. und Sonic Youth eine schulbanktaugliche