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das kulturelle überformat
Nr. 19 / 10. November 2008
#Michele Alassio
  8/14
kunst
Michele Alassio

In einer anderen Serie, «Next Stop», haben Sie Werke anderer Künstler anlässlich der Biennale in Venedig fotografiert und bearbeitet. Sie haben also in gewissem Sinne Ihre eigene Interpretation der gezeigten Werke umgesetzt.

Aufgepasst! Kunst hat für mich nur die Aufgabe der Vermittlung. Die Interpretation findet im Betrachter statt. Im Falle von «Sacks» habe ich mich intensiv und über Jahre mit dem Werk von Sacks und seinen beschriebenen Fällen befasst, um das nötige Wissen zu erlangen, um letztlich fähig zu sein, die Quintessenz des Unsichtbaren in meinen Bildern vermitteln zu können. «Next Stop» ist eine andere Geschichte. Ich habe mich den ausgestellten Werken mit der Haltung eines Jägers genähert. Mit dem Wissen, genau einen einzigen Schuss zu besitzen. Dies bedingt aber auch ein zuvor erarbeitetes Wissen, um das Sichtbare gewissermassen auf den Punkt zu bringen.

Die künstlerische Substanz Ihrer Arbeiten bleibt zwar dieselbe, aber die Art der Herangehensweise ändert sich.

Mich interessiert nicht, einen bestimmten Stil zu kreieren. Das würde bedeuten, dass ich mich nur noch wiederholen würde. Das würde zwar kommerziell vieles vereinfachen, gleichzeitig heisst das aber auch, dass kein künstlerischer Fortschritt mehr vorhanden wäre. Kunst zu erschaffen, bedeutet als

Künstler in einen Spiegel zu schauen. Das Bild, das er darin sieht, verändert sich zwangsläufig über die Jahre. Deshalb sollten sich auch die Kunstwerke verändern.

Sie schildern zu Ihren Bildern der Serie «Sacks» jeweils eine Geschichte. Wie genau näherten Sie sich an das Thema heran? Was genau hat Sie zu der Serie inspiriert – abgesehen von der eigenen Krankheit?

Ich habe neben den Werken Sacks auch andere Literatur über Neurologie und Psychologie gelesen. Die von Sacks geschilderten Fälle haben alle ein narratives Element, die zugrunde liegende Natur der einzelnen Fälle ist allerdings immer dieselbe. Ich befasse mich in meinen Bildern mit der Natur der Sache, deshalb habe ich den einzelnen Fotografien ein narratives Element in Form von Worten hinzugefügt. Es ist eine Frage der Tiefe. Eine Tiefe, die Sacks als behandelnder Arzt und Wissenschafter nicht erreichen kann, die aber auf künstlerischer Ebene möglich ist.

Nun befassen Sie sich mit der Welt des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges.


Seit fünf Jahren studiere ich das Werk Borges. Es geht im übertragenen Sinn darum, den einen Satz zu finden, der das Universum von Borges auf den Punkt bringt. Die Essenz, die