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das kulturelle überformat
Nr. 17 / 5. September 2008
#Porträt
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dossier: Brian Wilson
Porträt

Brian Wilson stand unter enormem Druck, als ihn Paul McCartney im Mai 1967 aufsuchte. Obwohl der brillante Songwriter und Produzent den Beach Boys mit «Good Vibrations» kürzlich einen Nummer-Eins-Hit beschert hatte, schrien Mitmusiker, Bandmanagement und Plattenfirma nach schnellem Nachschub. Was durchaus verständlich war: weil sich das letzte Album «Pet Sounds» in den USA nur mässig verkauft hatte, bangten alle um den Marktwert der Beach Boys.

Nur war der damals erst 24-jährige Wilson zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich an Hitparadenfutter interessiert. Zusammen mit seinem Ko-Autor Van Dyke Parks und einem Heer von Studiomusikern tüftelte er am symphonischen Konzeptwerk «Smile», das so weit auseinander liegende Themen wie die Nähe zu Gott und die Geschichte der USA abdecken sollte. Wilsons Absicht war klar: neue Massstäbe für die Popmusik setzen und dabei die Beatles bei ihrem eigenen Spiel schlagen.

Der illustre Besuch aus England brachte Wilson in noch grössere Bedrängnis. Mit «Revolver», einem kaleidoskopischen Strudel von Sounds und Stilen, hatten die Beatles die wohlklingende Jahrmarktsmusik auf «Pet Sounds» kreativ und kommerziell übertroffen, nun sass Paul McCartney bei ihm im Regieraum und spielte Songs aus dem noch unveröffentlichten Album «Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band» vor. Kein Wunder, dass Wilson dieses transatlantische Gipfeltreffen als Demütigung empfand, hatten doch seine Rivalen an Experimentierfreude und Abenteuerlust zugelegt. Dass «Pet Sounds» die Beatles erst zu «Sgt. Pepper» inspiriert hatte, war für ihn nur ein schwacher Trost.