Die so entstandene Linie hielt Long wiederum fotografisch fest. Die Vergänglichkeit des Schreitens hatte sich auf sichtbare aber ebenfalls vergängliche Weise in der Natur niedergeschlagen. Es war ein Konzept, das in seiner Einfachheit endlose Varianten erlaubte.
Zum Beispiel konnte er an der Meeresküste bei Ebbe allerhand Formen in den Sand treten. Oder Linien in die Natur zeichnen, indem er auf Geröllhalden und in Berglandschaften lose Steine zusammenraffte. Er konnte Kreise auf eine Landkarte zeichnen, um diese dann in der Natur tatsächlich abzuschreiten. Oder er konnte sich vornehmen, hundert Tage lang jeden Tag eine bestimmte Distanz abzuschreiten. Ort, Zeit und Distanz wurden zum künstlerischen Werkzeug.
Wenn all dies in der schriftlichen Beschreibung zerebral, kalt und abstrakt wirken sollte, trügt der Schein. Die Fotografien, mittels denen Long seine Aktionen festhält, sind in ihrer konzeptuellen Einfachheit und ihrem gleichzeitigen gewaltigen Detailreichtum unendlich faszinierend. Oder in den Worten von Long: «In meiner Arbeit geht es nie ums Thema der Schönheit. Wenn die Idee gut ist, wird sich die Schönheit selber erledigen.»
Von Anfang an hat Richard Long auch Werke quasi für den Hausgebrauch – sprich: für Galerien – geschaffen. Diese bestehen oft aus Felsbrocken und Steinen, die in Kreisen oder Keilen auf dem Boden angeordnet sind, oder aus Fundstücken aus der Natur, deren Anordnung wiederum konzeptuelle Überlegungen zugrunde liegen.