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das kulturelle überformat
Nr. 26 / 24. Juli 2009
#Richard Long
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kunst
Richard Long

Richard Long (*1945) hat geschrieben: «Mir gefällt es, die Strasse hinunter zu gehen und auf dem Erdboden zu schlafen. Ich mag sowohl sichtbare als auch unsichtbare Kunst. Ich mache aus permanenten Ideen vergängliche Dinge oder umgekehrt. Mein Talent als Künstler besteht darin, über ein Moor zu schreiten oder einen Stein auf den Boden zu legen.»

Lehm, Steine, Schritte und die wenigen Worte, die bleiben, wenn ein Tag auf seine Essenz reduziert wird – das sind die Mittel, mit denen Long arbeitet. Mit dem Lehm wird der Besucher seiner umfassenden Werkschau in den grossen Hallen von Tate Britain gleich von Beginn weg konfrontiert. Vom Boden bis ganz an die Decke reichen diese Werke. Dabei schmeisst Long eine durch und durch organische Mischung von Lehm und Wasser direkt auf die Wand und verteilt den Schlamm mit rhythmischen Bewegungen, so dass eine Reihe von ornamenthaften Schleifen und Schlaufen entstehen. Die Spritzer und Tropfen fliegen weit über die Ränder des Werkes hinaus und bilden einen filigranen Subtext. Wie alles, was Long macht, vereinen auch diese «Bilder» allerhand Gegensätzlichkeiten und Paradoxe in sich. Sie sind vergänglich und doch monumental, repetitiv und doch unendlich detailiert, aus der Natur gegriffen und doch Kunst, zerebral und konzeptuell, dabei physisch wie ein Berg. Man steht davor und staunt, und dabei ist doch alles so wunderbar einfach.

Richard Long entdeckte früh die Essenz, um die sich sein ganzes eigenwilliges Schaffen drehen würde. Mit achtzehn Jahren begab er sich auf ein schneebedecktes Feld und rollte einen Schneeball vor sich her, bis dieser ein so grosses Gewicht angenommen hatte, dass er von Long nicht mehr zu bewegen war. Dann fertigte er eine schwarz/weiss-Aufnahme an, welche am unteren linken Rand gerade noch einen Teil des Schneeballes zeigte, vor allem aber die nunmehr schneefreie Spur abbildete, die sich zum Horizont schlängelte. Man schrieb das Jahr 1964, Long war an der Kunstschule in seiner Heimatstadt Bristol eingeschrieben.