Meine Ausgabe des Alten Testamentes hat 938 Seiten, «The Ball Is Round – A Global History of Football» von David Goldblatt bringt es in der gebundenen Originalausgabe auf deren 978 und lässt dabei allerhand wichtige Themen wie die Rolle des Schiedsrichters, das Design der Trikots oder gar den Aufstieg des FC Thun zur Champions League-Macht links liegen. Fussball gewichtiger als die Bibel? Rein quantitativ passt das ungefähr. Die TV- Zuschauerziffern bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, zu der das Buch erstmals erschienen war, wurden auf drei Milliarden geschätzt – die Hälfte der Weltbevölkerung. Bei der jüngsten Auflage in Südafrika waren es gar noch mehr.

Keine Weltreligion kann auf eine so massive Anhängerschaft zählen. Und die machiavellische Art, wie der Weltfussballverband FIFA seine Ziele verfolgt, ist der Politik des Vatikan nicht ganz unähnlich. In der Tat haben die Irrungen, Wirrungen, Tragödien, Zufälle, grandiosen Pläne und gössenwahnsinnigen Edikte, die aus einem regellosen Volksgetümmel innert zweihundert Jahren eine sportliche «lingua franca» und dazu eine der wichtigsten Industrien auf der Welt geschaffen haben, biblische Züge. Die gewaltige Chronik der Ereignisse, die der englische Autor, Sportsoziologe, Journalist (Guardian, Observer, Independent u.a.) sowie Tottenham Hotspurs-, Bristol City- und Bristol Rovers-Fan David Goldblatt geschaffen hat, erzählt die Geschichte mit Gusto, Weitblick, Flair und umfassendem Wissen. Wie schwierig es aber gerade im Fussball ist, die Zukunft auf Grund der vorliegenden Informationen vorauszusagen, demonstriert er auch gleich selber. Das Buch erschien im Original bereits vor vier Jahren – rechtzeitig zur WM 2006 in Deutschland. Und Goldblatt sprach damals selbstsicher vom Abstieg des italienischen Fussball in der vorangegangenen Dekade. Wie wir heute wissen, vier Jahre zu früh. Damals wurden die Azzurri nach einem begeisternden Halbfinal gegen Deutschland und einer disziplinierten Abwehrleistung gegen Frankreich Weltmeister.