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das kulturelle überformat
Nr. 32 / 10. August 2010
#Interview mit Philippe Auclair, Fussballphilosoph
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360°
Interview mit Philippe Auclair, Fussballphilosoph

Alles was ich über die Moral der Menschen weiss, verdanke ich dem Fussball.
Albert Camus
Philippe Auclair ist der möglicherweise vielbeschäftigtste Mann Londons, eine an selbstgedrehten Zigaretten saugende, hochgewachsene Erscheinung, die an allen Enden der Stadt auftaucht, nicht selten gleichzeitig mit dem Telefon am Ohr, dem Notizbuch in der Hand und einer Zeitung unter der Achsel. Und wenn er einmal nicht da ist, dann sitzt er vermutlich gerade in einem Zug Richtung Norden, oder im Eurostar Richtung Südosten auf dem Weg zu den Kathedralen des Fussballs, aus denen er regelmässig in Radio, Fernsehen und Print berichtet. Die Fans des Arsenal FC nennen ihn ehrfürchtig «Sir», weil er in seiner Eigenschaft als französischer Fussball-Reporter über einen direkten Zugang zu Arséne Wenger, dem nachdenklichen Architekten eines der massgeblichen Teams der Premier League der letzten 15 Jahre, verfügt und die Früchte seines privilegierten Wissens in präzisen Formulierungen an französische, belgische und britische Medien verteilt.

Die wenigsten von ihnen wissen, dass Auclair nebenher auch über Politik schreibt und 2006 ein Buch namens «Le Royaume Enchanté de Tony Blair» veröffentlichte, in dem er – zwei Jahre vor dem Crash – den Selbstbetrug hinter dem britischem Wirtschaftsboom entblätterte. Oder dass er als Songwriter unter seinem Pseudonym Louis Philippe seit den achtziger Jahren unzählige Platten veröffentlicht hat, einst auf dem legendären él Records-Label, dann in Japan, wo er als eine der wesentlichen Inspirationen des Shibuya-Sounds gilt, dann auf seinem eigenen Label, das auf der Basis von Vorbestellungen seiner leidenschaftlichen Fans in aller Welt operiert.