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das kulturelle überformat
Nr. 15 / 5. Juni 2008
#Kolumne von Ernst Molden, Wien
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gedankengang
Kolumne von Ernst Molden, Wien

wählte den Ballsport. Wir entschieden uns für seine Entsendung in zwei Schnupperstunden. Parallel wurde ein Pickerl-Sammelalbum angeschafft, worauf die Headline «Die Bundesliga im Jahr der Euro» oder so ähnlich prangte. Ich merkte, dass die Medusa ihre Tentakel nach mir ausstreckte und ihre Häupter mir zuwandte. Andererseits erinnerte ich mich, dass ich selbst derartige Pickerl (’78! Argentinien!) sammelte, obwohl mir der tiefere Anlass für ihr Dasein hinten vorbeiging. Aber das Sammeln, Tauschen, Reichsein und die daran gebundene Interaktion erschien mir prickelnder als das Verfolgen eines Balls im Laufschritt. Für den Erstgeborenen trage ich jetzt stets ein Packerl Fussballpickerln im Sakko, um Gutes zu belohnen und Böses durch Abfederung gar nicht erst geschehen zu lassen.

Zwei Tage nach der ersten Schnupperstunde meines Sohnes, ganz am Ende des Vorjahres, traf ich spätnachts zwei Herren im schon genannten Chelsea am Lerchenfeldergürtel. Die beiden sagten, sie wollten im kommenden Jahr ein Liederfestival veranstalten, Open Air, an einem wunderschönem Ort, deshalb wollten sie mit mir sprechen. Für die Stadt? fragte ich. Nein, für die Euro, antworteten die Herren. Innerlich zuckte ich zusammen. Rahmenprogramm, sagten die Herren.
Haben Sie Vorstellungen? fragte ich.
Haben wir, wir wollen aber noch nicht darüber sprechen, sagten die Herren, wir suchen erst einmal Ideen.
Habe ich, sagte ich, ich will aber noch nicht darüber sprechen.
Lächelnd tranken die Herren und ich unsere Biere aus, wir vereinbarten ein Telefonat und gingen nach Hause. Schon wieder klebte ein Tentakel des Kommenden an mir.

Die zweite Schnupperstunde war übrigens desaströs für den Sohn: Keine Pause, sagte er, als er heimkam, kein Rasten. Und niemand hat mir beim Schuhbinden geholfen. Er steige aus, sagte er. NIE. MEHR. WIEDER.