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das kulturelle überformat
Nr. 15 / 5. Juni 2008
#Punks und Fussball
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dossier: Fussball
Punks und Fussball

Es ist eine unauslöschliche Erinnerung. Ein Heimspiel von Chelsea in den mittleren achtziger Jahren, gegen Norwich City in der alten englischen First Division (später die Premier League). Es hat noch viel Platz in den Steh-Rängen. Jeder raucht. Der Fussball, den sie uns an diesem milden Frühlingssamstag auf einem holprigen Rasen servieren, ist alles andere als mild oder gar erinnerungswürdig. Ganz im Gegensatz zum Cros-Magnon- Spektakel, das die Chelsea-Fans mit ihrer kommunalen Anhäufung von blanken Schädeln bieten. Schädel wie Birnen, Schädel wie Melonen, Schädel mit gewaltigen Kiefern, tätowierte Schädel und Schädel, die mit Beulen und Narben verziert sind – alle haben sie eines gemeinsam: sie sind brutalen Barbieren zum Opfer gefallen, die exakt zwei Frisuren im Repertoire haben: Totalrasur und «Number 1». Dies zu einer Zeit, wo kein vernünftiger Mensch das Haar kürzer als drei Zentimeter trägt. Skinheads treten selten auf im Westlondoner Stadtbild. Im Ostlondon, so munkelt man, da sei es wesentlich schlimmer mit denen. Obwohl sich die muntere, militante linke Post-Punk-Motown-Band The Redskins alle Mühe gibt, mit ihren Kahlschlägen die allgemeinen Vorurteile gegen Skins abzubauen, wird ein superkurzer Bürstenschnitt weit herum noch immer als Emblem rassistischen Idiotentums gelesen. Ironisch, waren die ersten britischen Skinheads doch Reggae-Fans, welche den Haarstil ihren jamaikanischen Freunden abschauten.

Seit den fünfziger Jahren hat Mode in Grossbritannien wesentlich mehr bedeutet als nur gerade die neueste Saisonbekleidung. So, wie die Vorliebe für eine bestimmte Band mehr bedeutete als die blosse Hingabe an einen bestimmten Sound. Sich als Fan einer Band zu verschreiben oder aber einen gewissen Stil von Jacke zu tragen, reflektierte eine ganze Lebenshaltung samt Meinungen punkto Politik, Kunst, Ernährung, TV und Sport. Unter Rockfans herrschte mehr oder weniger übereinstimmend das Gefühl, dass Rock der Ausdruck einer Rebellion gegen alles Konservative sei.