Sterblichkeit geht. Marathonläufer sind sich ihres Körpers mehr bewusst als andere. Sie kennen ihre exakten Laufzeiten, an denen sie sich orientieren. Murakamis Erkenntnis des Alterns fand nicht über die bewusste Wahrnehmung statt, sondern über die Laufzeiten, die er nicht mehr einhalten konnte. In einer Zeit, in der der Mensch mit unzähligen Möglichkeiten sein Altern verhindern will, schreibt Murakami:
Und eines der glücklichen Privilegien der Menschen, die einem frühen Tod entgangen sind, ist die besondere Gnade, alt zu werden. Uns wird die Ehre des körperlichen Verfalls zuteil.
Hier liegt die eigentliche Grösse dieses Buches: der Umgang des Autors mit der Zeit. Wenn er von sich behauptet, er sei auf dem Weg zu «einer stillen barocken Vollkommenheit, oder bescheidener ausgedrückt, in eine Sackgasse der Evolution.»
Am intensivsten erlebt Murakami seine Existenz, als er 1995 an einem Ultramarathon (hundert Kilometer) am Saroma-See auf der japanischen Insel Hokkaido teilnimmt. Die ersten 55 Kilometer absolviert er dabei locker und ohne Beschwerden. Doch danach folgt eine Phase des Leidens. Der Körper versucht, seinen Dienst zu verweigern und Murakami versucht seinerseits, den Körper zu überlisten, indem er sein eigenes Bewusststein zu leugnen beginnt: «Ich bin kein Mensch. Ich bin eine Maschine», redet er sich ein. Bis dann bei Kilometer 75 der Durchbruch kommt. Die Schmerzen sind völlig verschwunden: «Meine Art des Laufens glich nun einem Zustand der Meditation», schreibt er. «Ich war ich und doch nicht ich.»