Foto: © Velibor Božović

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das kulturelle überformat
Nr. 22 / 16. März 2009
#Aleksandar Hemon
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literatur
Aleksandar Hemon

All the lives I could live, all the people I will never know, never will be, they are everywhere. That is all that the world is.

Zuerst erinnert das Buch an einen Kriminalroman. «Lazarus» beginnt im Chicago der Jahrhundertwende. Im Jahr 1908, also genau hundert Jahre bevor das Buch letztes Jahr in den USA erschien. Es schildert die wahre Geschichte des jüdischen Immigranten Lazarus Averbuch, der den Polizeichef Chicagos frühmorgens in seinem Haus aufsucht. Averbuch wird seines seltsamen Benehmens wegen für einen Anarchisten gehalten und aufgrund eines Missverständnisses erschossen.

2008 wird der bislang erfolglose Autor und Erzähler des Buches, Vladimir Brik, auf die Geschichte aufmerksam. Ihm scheinen die Gründe für den Tod von Lazarus Averbuch auch nach einem Jahrhundert noch nicht klar. Deshalb beschliesst er, den Fall aufzulösen und die umgekehrte Reise anzutreten, die einst Lazarus als Immigrant angetreten hatte, um im gelobten Land seinen amerikanischen Traum zu verwirklichen. Brik wiederum ist selber Immigrant, einst kurz vor dem Krieg aus Bosnien geflüchtet. Heute ist er mit einer Amerikanerin, einer vielbeschäftigten Chirurgin, verheiratet. Für ihn, der sich mit seinem alten Kumpel aus Sarajevo-Zeiten, dem Fotografen Rora, aufmacht, in die Ukraine zu reisen, wird die Beschäftigung mit der Lazarus-Geschichte zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, von der er selbst noch nicht wirklich Abschied genommen hatte.