Wenn man die Musik von Ornette Coleman wiederhört, verabschiedet man sich von der Zeit. Irgendwie passt keines seiner Werke in die jeweilige Epoche, weil sich der Mann aus Fort Worth, Texas, immer wieder den zeitgemässen Spielregeln widersetzte. Dies hat ihm genauso eine loyale Anhängerschaft verschafft wie erbitterte Gegner. Als er 1961 das Album «Free Jazz» veröffentlichte und dem gleichnamigen Jazzstil seinen Namen gab, improvisierte er mit einem Doppelquartett, bei dem jedes Instrument doppelt vertreten war. Das war aussergewöhnlich zu jener Zeit und die Platte verweigert sich auch heute noch jeglichem Ansatz von Staub. Die Puristen schnappten ebenso nach Luft beim Album «The Empty Foxhole» von 1966, als der Saxophonist und Violinist ein Trio bildete mit seinem langjährigen Bassisten Charlie Haden und dem damals 10 (!) Jahre alten Sohn Denardo Coleman am Schlagzeug.
Andere schüttelten den Kopf ob seiner musiktheoretischen Ausflüge, die sich den herkömmlichen Gesetzen verweigerten und in ihrer möglichen Umsetzung zum philosophischen Umdenken zwangen. Seine Erfindung nennt der heute 78-Jährige Harmolodic und diese verkörpert in Grundsätzen die Suche nach einer vollkommenen Zusammenkunft von Harmonie, Modulation und Melodie. Es ist gewissermassen die Quintessenz dessen, was er als Improvisator mit seinen Quartetten vorantrieb, und das er erstmals in den Liner Notes zu der hier vorgestellten Aufnahme anspricht: ein einziger Notentext wird auf vier verschiedene Schlüssel gleichzeitig angewandt. Damit entsteht eine